oder: Willkommen im Schönen Neuen Weltkrieg mit freundlicher Unterstützung von Crispr-Cas).
Mit der Frage, was Saatgut und Software gemeinsam haben, habe ich oft zu erklären versucht, wie tiefgreifend die Commons-Debatte ist. Dass es ums Ganze geht. Um jeden kleinen Schnipsel unserer materiellen und digitalen Realität. Um Fragen wie: Wer hat zu diesen Schnipseln Zugang? Wer darf sie nutzen? Und wer sie verändern? Wenn überhaupt und wenn ja, zu welchem Zweck? Ach und … darf man diese Schnipsel zur Ware machen?
Endlich hat mich der DLF erinnert, dass das die falsche Analogie ist. Sie ist nicht stark genug. Stärker ist vielleicht das: Unser Erbgut kann man umschreiben wie ein Softwareprogramm. Der Kern der Analogie wird vielleicht deutlich, wenn wir begreifen, dass:
- man Gene ganz einfach ausschneiden, kopieren und einfügen kann – so wie Softwarecodeschnipsel
- unsere Gensequenz einfach editiert wird. Irgendwo ein Fehler? Macht nix. Genschere her!
- das Editieren auch schon auf Keimbahnniveau stattfinden kann, also direkt ins Erbgut geht.
Anders gesagt: Wir werden zum Programm. Wenn irgendwo ein Bug ist, dann wird der behoben, dank Crispr-Cas. Abertausende Studis können das machen, so wie sie Softwareprogramme schreiben. Es ist nicht teuer und es ist nicht schwierig. Nur die Folgen sind verschieden. Das eine lebt, das andere nicht. Reverse-Engeneering wird bei uns Menschen nicht funktionieren.
Ich gestehe, Gen-Editing macht mir Angst, und zwar nicht vorwiegend, weil es sich anfühlt als würde die nobelpreisverdächtige Spitzenforschung Geister kreieren, die sie nie mehr los wird. Und auch nicht, weil ich den hehren Ambitionen der Forscher*innen nicht traute. Sie wollen Krankheiten heilen und Betroffenen helfen, sich wollen erstmal dafür sorgen, dass alles „sicher“ ist…
Nein, sie macht mir Angst, weil ich immer wieder beobachte, dass gerade Naturwissenschaftler*innen mit einer sozio-ökonomischen Naivität an die Sache gehen, dass es mir schier die Socken auszieht. Prof. Doudna, einer der Entwicklerinnen von Crispr-Cas sagt:
„Ich bin Optimist. Ich gehe eher davon aus, dass die Technologie der Gesellschaft nutzen wird.“
Und flups wird die Technologie zum Subjekt als könne sie aktiv etwas tun!
Ich verstehe solche Sätze, ich rede auch oft so, wenn ich zur gesellschaftlichen Wirkung des Commons-Ansatzes gefragt werde. Aber hey: ich bin auch nicht die Erfinderin einer der machtvollsten Technologien der Gegenwart und ich schnippele nicht am menschlichen Erbgut herum. Hier noch eine Passage aus einem DLF Interview mit Frau Doudna:
„Knoll Geht es Ihnen grundsätzlich um die Veränderung der Menschheit oder um die Angst vor Fehlern, an denen Babys oder Embryonen sterben könnten?
Doudna Wir wollen garantieren können, dass die Technologie sicher ist. Und ehrlich gesagt müssen wir in der Gesellschaft erst einmal klären, wie wir sie einsetzen wollen. Wer soll Zugang bekommen, wer entscheiden? Welche Veränderung können oder sollen zugelassen werden? Und wer bezahlt das Ganze?„
Orakel gefällig?
- die, die ein ökonomisches Interesse daran haben, werden alle möglichen Anwendungen finanzieren, die sich gut vermarkten lassen. Und das sind nicht die seltenen Erbkrankeiten. Es sind die blauen Augen, die blonden Haare, der bessere Intellekt – whatever.
- die, die es sich leisten können werden sich copy-paste optimiertes Erbgut leisten und an die nächsten Generationen weitergeben.
Da bekommt das Wort Herrenrasse einen ganz anderen Klang. Es verliert seinen propagandistischen Zug.
Warum ich das glaube? Weil das beim Saatgut genauso war: mehr technologische Manipulation, mehr Kontrolle, mehr Konzentration, mehr ökonomische Abhängigkeit, weniger Vielfalt. Und weil wir im Kapitalismus leben. Und da ist das so. So wie man heute die einen von den anderen an den Schuhen unterscheiden kann, die sie sich leisten können.
Willkommen im Schönen Neuen Weltkrieg!, wie Jamie Metzl seinen Beitrag in Wem gehört die Welt provokant titelte. Als er geschrieben wurde, vor acht Jahren, gab es Crispr/Cas noch gar nicht.
Ach ja, und bevor ich’s vergesse: Our Human Genom is a Commons and it needs Protection! Und ich fürchte, da ist es mit einer CC Lizenz nicht getan.
Ich würde es nicht als Naivität bezeichnen. Es ist Ahnungslosigkeit, gepaart mit der Befangenheit eigener Berufsinteressen. Einem Naturwissenschaftler Kenntnisse in Ethik zu unterstellen, das ist, als erwarte man von einem Ornithologen aus eigener Kraft zu fliegen. Die Naivität liegt also eher auf Seiten der Gesellschaft. Molekularbiologen in der Komission zur Ethik der Gentechnik, das ist wie Börsenmakler und Hedgefondsmanager in der Bankenaufsicht.
Gedanken machen sich die Herren und Damen der technischen Disziplinen schon, nur leider nicht genug… bei weiten nicht genug. Selbst bei denen die sich viel und kritisch mit ihrer Arbeit auseinander setz überwiegen dann doch der berufliche Alltag durch, – wird halt gemacht. Wenn wir es nicht machen, machen es andere.
Zur Bioinformatik gab es einen gelungen Podcast „CRE Folge 143“ mit dem Thema Biohacking http://cre.fm/cre143-biohacking
Ganz neu ist das GnuProjekt „GNU Gneural Network“. Wie der Name schon sagt sich mit künstlicher Intelligenz auseinandersetzen will https://www.gnu.org/software/gneuralnetwork/