Frust des Tages: Warum fällt der Groschen immer erst, wenn das Buch zuklappt? Wenn sich das Werk kurz vor der Abgabe befindet und frau es am liebsten „irgendwie neu und anders“ machen würde.
Heute schrieb ich einen von zwei einführenden Artikeln für den spanischsprachigen Sammelband „Genes, Bytes y Emisiones: Bienes Comunes y Ciudadanía“, den ich seit Monaten editiere. Grund der Anstrengung: der so komplexe wie komplizierte Versuch einer Übersetzung des engl. commons in eine Bezeichnung, die in Lateinamerika „funktioniert“.
18 Monaten haben wir auf Konferenzen und per mail um einen angemessenen und möglichst kohärenten spanischen Sprachgebrauch gerungen. Zweifel hin, Zweifel her – irgendwann musste eine Entscheidung fallen (Meine Tochter, 8, sagte letzte Woche schon: „Mama, ich glaub‘, dieses Buch wird nie fertig!)
Die Entscheidung lässt sich in den Einträgen auf diesem blog nachvollziehen:
- Commons – Gemeinschaftsgüter – Bienes Comunes
- Common Pool Resources – Gemeinressourcen – recursos comunes/ recursos de uso común oder acervo común und so weiter.
Aber ich will Sie nicht langweilen.
Als ich nun zu Papier brachte, warum die Terminologie im Buch so ist wie sie ist, versuche alle Pros, Contras und Gegenvorschläge zu sortieren, fällt der Groschen. Der Begriff GemeinschaftsGÜTER (bienes comunes) trifft in der Tat nicht den Kern.
Aber wie packt man dann: Commons sind eine soziale Beziehung – in einen möglichst transparenten deutschen oder spanischen Begriff?
Gustavo Esteva schlägt vor: „ámbitos comunes“ – sowas wie: Gemeinbereiche/ Gemeinräume (für Spanischlesende und Estevafans hier ein Zitat)
„ámbito que incluye a gente, personas y grupos diferentes que confluyen, convergen, concurren para poder realizar la gestión en común. En el caso del agua, como en el caso de todos los „comunes“, Según mi postura, un common no es un bien. Al abordarlo como una ‚cosa‘ se corre el riesgo de perder de vista que se trata de una relación social y que no existe un common sin un sujeto social específico“
Frust erträgt sich besser, wenn er geteilt wird. Prompt kommt die Reaktion von einem ehem. Mitstreiter, der sich inzwischen an einer renommierten engl. Uni die commons zum Studien- /Master- und Promotionsobjekt auserkoren hat. (Hi Felix)
Die Wirtschaftswissenschaften helfen schon lange nicht mehr weiter, um sich mit
„…kollektivem Verhalten, gemeinschaftlichem Selbstverständnis und kollektiver Verantwortung für Güter, Wissen und Lebensweisen auseinanderzusetzen. Daher ist auch das Wort Güter so fehl am Platz- genauso wie viele deutsche Wortschöpfungen die sich auf Eigentumsverhältnisse und nicht auf Relationsverhältnisse beziehen, wie etwa „Sozialkapital“ und dergleichen.“
Ist doch schön, wenn man sich einig ist, außerdem motiviert es mich zur Auseinandersetzung mit den „Relationsverhältnissen“.
Das Buch geht aber erst einmal so in Druck, mit vielen Verweisen sowohl auf die Kraft des Gemeinschaftsgüterbegriffs als auch auf seine Beschränkungen (die ja von den AutorInnen ohnehin eingebracht wurden). Kohärentere Begrifflichkeiten werden auf neue Konferenzen, e-mail-Debatten, Bloggespräche und Publikationsmöglichkeiten warten müssen.