Commons zünden

Heute habe ich endlich mal eine Idee aufgeschrieben, die mich schon lange umtreibt:

Wie kann man die Commonsdiskussion wirklich weit verbreiten? So dass sie zündet. Es gibt Lieder, Gedichte (z.B. oben links auf dem blog), Animationen, Videos… Es gibt ganz viel, aber nicht genug. 

Wie kriegt man die Idee dazu, dass sie in Bildern, Mangas oder auf Stickern überall „rumläuft“? Und dabei hilft, Commons als solche überhaupt wahrzunehmen?

Hier der Vorschlag für eine Art „Kampagne“, damit der Funke überspringt. Mit einer Einleitung sowie einer kurzen Skizze von Ziel, Mitteln,  Ablauf, Trägern und so. Auf Kommentare bin ich gespannt, werden berücksichtigt, sobald das erste WIKI online geht. Wer macht mit?

Commons (Gemeingüter) erscheinen in der gegenwärtigen Diskussion als diffuses Konzept. Fast ensteht der Eindruck: Je mehr Debatte, umso größer die Verwirrung. Dabei geht es bei der Suche durchaus auch um griffige und stabile Definitionen. Die sind aber noch nicht gefunden, denn sie setzen zahlreiche begriffliche Unterscheidungen voraus (etwa zwischen Eigentumsregimen und Commons; oder zwischen Öffentlichen Gütern, dem „Kollektivgut“ aus der klassischen Wirtschaftstheorie und Commons), doch diese Unterscheidungen werden entweder nicht vorgenommen oder nicht durchgehalten.

Warum ist der Golfclub kein Commons? Freie Software aber schon? Was ist der Unterschied zwischen einer „Gemeinressource“ (common pool resource“) und dem, was wir als Common bezeichnen? In welchem Verhältnis steht der Begriff der Gemeinschaft (und welcher Begriff der Gemeinschaft) zum Konzept der Commons? Gibt es sinnvolle Kategorisierungen – etwa die nach natürlichen, sozialen und kulturellen Commons? Wenn ja, warum?

Ok, wir brauchen analytische Klarheit und in der Tat auch einen knackigen, öffentlich kommunizierbaren Commonsbegriff. Wir werden also weiter diskutieren müssen – im Interdisziplinären Politischen Salon, auf den großen internationalen Commonskongressen (i-commons Summits, IASC Konferenzen) in schwergewichtigen Publikationen und anderswo.

Doch nicht alles ist graue Theorie. Und nicht alles ist kompliziert. Die Grundidee der Commons ist einfach: Es gibt viele Dinge, -nennen wir sie Gemeinressourcen- auf die alle quasi per Geburtsrecht oder aus historischen Gründen einen Anspruch haben. Dieser Anspruch -unser Mitbesitzrecht- muss eingelöst werden. Heute und in Zukunft. Und indem wir den Anspruch einzulösen, produzieren und reproduzieren wir Commons.

Die große Frage ist dann natürlich WIE, mit welchen Grenzziehungen, Eigentumsregimen, Nutzungsformen und Produktionsmechanismen? Doch diese Frage bewegt sich jenseits dessen, Commons erst einmal als solche zu erkennen und zu labeln.

Die „Kampagne“ aber will nichts weiter als das: Commons identifizieren und benennen. Und zwar auf kreative und pfiffige Weise. Sie soll leisten, was die Debatte um Commons NICHT schafft.

Das Beste an den Commons ist ja: Sie gehen mitten durch uns hindurch. Die Kernidee ist intuitiv für jeden schnell fassbar. Jeder Versuch, Commons zu erklären dockt unmittelbar an den Lebenswelten der Gesprächspartner an. Es gibt fast niemanden, der nicht die Frage „versteht“, ob eine grundsätzliche gesellschaftliche Verfügbarkeit an bestimmten Ressourcen gesichert werden muss: Wem gehört die Stille? Wem der öffentliche Raum? Wem die Gene? Wem der Himmel?
Es gibt zudem niemanden, der nicht täglich durch die Commons hindurchgeht, sich von ihnen ernährt, bildet und in der ein oder anderen Weise tragen lässt.

An diese unmittelbar intuitive Ebene soll die Kampagne anknüpfen, denn ohne Gene keine Vielfalt. Ohne Land keine Nahrung. Ohne Licht kein Wachstum. Ohne Töne keine Musik. Ohne Sprache keine Kommunikation. Ohne Wissen kein Fortschritt. Ohne Wasser kein Leben. Und ohne uns kein Erhalt und keine Fortentwicklung dieser Gemeinressourcen.

Commons zünden versucht, das Konzept in unterschiedlichen medialen Formen aufzugreifen. Weg vom Wort. Hin zu Bild, Ton, Animation, Manga, Film, Plakat, Graffitti und Sticker. Weg von den Denkern, hin zu den Machern. Weg von der Analyse, hin zur Kreation. Es geht darum, Commons SICHTBAR zu machen; ästhetisch in den Blick zu rücken.

DAS ZIEL:

die kreativ-künstlerische Umsetzung der Idee der Commons in verschiedenen Ausdrucksformen anregen und fördern, dabei konsequent auf die Möglichkeiten des Web 2.0 aufbauen – von Ausschreibung und permanenter Aktualisierung der Kampagne bis Verbreitung der Ergebnisse; also mind. Zweisprachigkeit; deutsch und englisch
DIE MITTEL:

  • zwei öffentliche Wettbewerbe für Kreative: für einen Commons-Button und einen Animationsfilm (zur Idee des Buttons siehe hier, vergleichbare Animationsfilme, die die Idee von Creative Commons und von Trusted Computing inszenieren, finden sich hier und hier – das sind appetizer) – dabei können auch Werkzeuge wie animasher verbreitet werden
  • ein offener Wettbewerb für andere mediale Formen – everything goes, just be creative!
  • Alle eingereichten Beiträge müssen frei lizenziert sein.

DER WEG:

  • Erst kommt das WIKI 1 mit einer Beschreibung (Definition) der Commons = Grundlage der Kampagne und der Ausschreibung
  • Dann kommt das WIKI 2 mit der Beschreibung der Kampagne (also dieser Text im Wiki in permanent zu aktualisierender Form – bis er ausschreibungsreif ist: deutsch, englisch, spanisch wäre auch wundervoll – ggf. über einen commons-translation-pool auch in andere Sprachen)
  • Dann wird die Ausschreibung über alle deutsch- und englischsprachigen Verteiler, Blogs und Listen geschickt. Die Sammlung erfolgt vorab im WIKI 2 durch die beteiligte Commons-community. Einsendeschluss festgelegen und Empfängeradresse – fertig
  • Dann macht sich eine ehrenamtliche Jury an die Arbeit (es bedarf allerdings eines Ortes für die Arbeit der Jury zur Auswahl der PreisträgerInnen). Die Kriterien für die Auswahl der Juroren sind einfach: 5 Leute, Denker und Kreative, möglichst aus Deutschland (Kostengründe) aber auch internationale Beteiligung möglich
  • Schließlich Preisverleihung und Veröffentlichung der Preisträger aber auch anderer Einsendungen über das Web 2.0
  • Dann müsste die Produkte eigentlich wie von allein weiterlaufen…

DIE TRÄGER:

eine kleine selbstorganisierte, zivilgesellschaftliche ehrenamtliche Initiative: sie muss folgendes leisten:

  • WIKI 1 und WIKI 2 koordinieren, Jury zusammenstellen, Finanzen einwerben
  • wenn alle gut läuft, wenn es hinreichend viele Einsendungen gibt, sich Sponsoren finden usw… sollte die Arbeit nach der Auswahl der Preisträger und die Preisverleihung professionell organisiert werden

DAS GELD:

wird gebraucht für:

  • jeweils zwei Preise à 1000 und 650 Euro in allen 3 Ausschreibungskategorien. Plus ein Sonderpreis
  • Ort, Reisekosten und Verpflegung für Arbeit der Jury
  • Preisverleihung (öffentliche Veranstaltung?)
  • ggf. Übersetzungen/ Administration/Sonstiges

Soweit erstmal.

foto on flickr by joits

14 Gedanken zu „Commons zünden

  1. Was mir hierzu spontan in den Sinn kommt sind die Stadtwikis.
    Warum nicht versuchen in den vorhandenen Regionen/Kommunen vorhandene (lokale) Commons zu ‚identifizieren und zu benenne‘ und im jeweiligen Stadtwiki darzustellen?

  2. Ja, gute Idee, es gibt ja überall solche Initiativen, wo Menschen etwas als Commons schaffen/pflegen und vor allem im lokalen Umfeld ist es wichtig, das wahrzunehmen und sich als Teil eines größeren Zusammenhangs zu sehen. Ich wette, die meisten Aktiven der Interkulturellen Gärten haben noch nicht darüber nachgedacht, ob sie an einer ähnlichen Gesellschaft stricken wie die Leute von der Freien Software.
    Der hier skizzierte Idee versucht zunächst einmal, den Begriff Commons überhaupt auf den Punkt zu bringen, ihn „zu transportieren“ – so dass sich verschiedene lokale Initiativen damit identifizieren und davon abgrenzen können.

  3. Eine wichtige Bedingung für Beiträge, wäre dass sie unter einer freien Lizenz stehen, oder? Ansonsten muß ich mich abmelden, bin gerade etwas überfordert.

  4. Meine Erfahrung mit Wikis ist, dass die Arbeit, zu der man andere aufruft, doch von einem selbst getan werden muss.

    Zumindest lange Zeit, meistens länger, als so mancher Wiki-Gründer denkt.

  5. Commons sind die, die sich nach Commons anfühlen. Ein Golfclub kann auch commons sein, je nachdem, wie und von wem er geführt wird. Letztendlich entscheidet wohl die Struktur der Maintainerschaft, ob etwas als commons bezeichnet werden kann, oder nicht. imho, wie immer.

    Ganz kurz: Commons sind Ressourcen, die von einer P2P strukturierten Gruppe maintained werden.

    Jetzt kannst Du gruppieren: nach Ressourcenarten und nach Organisationsformen P2P-artiger Strukturen.

    Die Frage nach dem „wem gehört“ ist schon in der Sprache des hierarchisiert privat Angeeignetem gestellt, und verhindert oder erschwert, imho, die emanzipativen Fragen.

  6. @ toka: Wäre dann auch die Aktiengesellschaft ein Common?
    Nein, das formelle Kriterium ‚flache Hierarchie in der Verwaltung von etwas nach außen Abgegrenztem‘, überzeugt mich nicht. Wir können nicht davon abstrahieren, was mit den Ressourcen konkret geschieht und was gesamtgesellschaftlich geschieht, nur weil die Leute sich wohlfühlen oder das Ganze P2P ist. Das führt letztlich dazu, dass wir entsprechend verwaltete Atomkraftwerke zu Commons erklären müssten. (Uran ist letztlich eine Gemeinressource. Ich finde nur, wir sollte sie da lassen, wo sie ist. Im Boden. Eben im Gemeininteresse.)
    Die liberale Wirtschaftstheorie hat für solche formalen Kategorisierungen den Begriff des Clubguts erfunden. Von mir aus ist der Golfclub ein Clubgut, aber bestimmt kein Common.
    Golfplätze machen mehr commons kaputt als sie herstellen; z.B. den Wasserhaushalt und nicht selten den öffentlichen Raum. Ganz abgesehen von der sozialen Frage.
    Bei der Frage „wem gehört“ kommt es auf die Antwort an: UNS.

  7. Ja, stimmt. Ich hatte als Prosumist übersehen, das maintainer die Nutzer nicht unbedingt enthält. Die müssesn selbstverständlich mit in der P2P-Struktur sein.

    Die rationale Frage „wem gehört“ beantwortest Du emotional. Denn uns ist keine Gesellschaft, ob du wir sagst ist doch ein empathisches Urteil. Zum Beispiel ist es doch ganz egal, wem bestimmte Freie Inhalte gehören, wenn sie denn als Commons genutzt werden. Da gibt es ja auch sehr unterschiedliche Eigentümer, von Einzelpersonen zu Stiftungen und Unternehmen. Letztendlich interessant ist aber die Lizenz: die Art der Nutzung, und diese ist bei Commons auf gleicher Augenhöhe — jeder Nutzer ist (potentieller) Maintainer.

    In diesem Sinne können Dinge, die moralisch vielleicht verwerflich sind, wie Dein Beispiel des Atomkraftwerkes, oder eine Waffenkammer, imho Commons sein.
    Wären sie jedoch Commons, gäbe es wahrscheinlich sinnvollere Wahlmöglichkeiten bzw sie würden so nicht existieren.

  8. „Uns“ – ist nicht „emotional“, sondern – wenn Du so willst – ein kollektives Subjekt. Natürlich muss man dann in jedem Fall genau sagen, welches „wir“ gemeint ist (also um welche Gemeinschaft es geht.) Und genau dieses „wir“ muss dann die jeweiligen Regeln aushandeln. Das sind dann die „Gleichen“ (die „peers“ – in Deiner Sprache.)
    „Uns“ heißt erstmal nur: Commons gehören nicht exklusiv einem/r allein. Und heißt deshalb auch: Diese/r eine darf nicht über die Nutzungsrechte der anderen verfügen. Ist also ein antihierarchischer Impuls.
    Ich halte nix von „commonsbasierten“ Atomkraftwerken. Gar nix. Ich glaube auch nicht, dass man eine Definition so offen gestalten kann, dass als Ausweg, um Inkohärenzen aufzulösen, nur die Aussage bleibt: „wird schon nicht so kommen“.

  9. Und ich halte nix von normativen Definitionen. Es geht doch nicht darum, dass wir einfach alles, was wir gut finden „commons“ nennen.

    Ich bin gegen Atomkraftwerke aber deswegen bin ich nicht dafür einfach alles was mir nicht passt aus der Commonsdefinition auszuschliessen. Wenn es im Commonismus Leute gäbe, die welche wollen, können sie versuchen die betroffenen Leute dazu zu überreden. Das wird ihnen halt nicht gelingen ohne staatliche Machtmittel, aber das ist eine ganz andere Frage.

    Wieder anders sieht es aus, wenn ich – wie im Fall von Christians Commonsnetzwerk – ein Vernetzungsprojekt mache. Dann kann ich mir schon aussuchen, welche Commons ich vernetze und eben Waffen oder Atomkraftwerke ausschliessen.

    Drei Fragen, drei unterschiedliche Antworten. Das sollte man nicht zusammenrühren.

  10. Sorry, aber ein bisschen müssen wir auch gucken, wo der Commonsbegriff herkommt. Nicht eine Definition backen à la: „Commons ist alles, was Leute, die sich als peers sehen und als solche interagieren, wollen.“.
    Jeder Commonsbegriff, der mir bekannt ist, bezieht sich AUCH auf die Verfügbarkeit von Ressourcen (was deren Erhalt oder die Schaffung/Erweiterung voraus setzt). Das einfach wegzudiskutieren erschiene mir nicht nur ahistorisch sondern tatsächlich auch ein Holzweg mit der Tendenz ins Nirgendwo.
    Ich nenne auch nicht alles, was ich gut finde „Commons“ (ich finde auch den Schmuck, den ich bastele gut und das ist kein Commons). Ich sage nur: Es gibt ein paar essentielle Dinge, die den Commonsbegriff ausmachen, und dazu gehört der Bezug auf einen verantwortungsvollen/ nachhaltigenden/ erweiternden (nenn‘ es wie Du willst) Bezug auf die Gemeinressourcen (Bodenschätze, Land, Wasser, Wissensbestände, Code, Sprache usw.).
    Eine Commonsdefinition nur auf Formen zu beziehen erschiene mir inhaltsleer.

  11. Könnten wir nicht in die Vergangenheit schauen (Waffenkammer sollte dahin zeigen)?

    Ich kann mir gut vorstellen, dass Commons zu finden sein sollten, die uns unangenehm erscheinen.

    Wenn eine Horde von Kriegern sich egalitär organisiert, werden die auch Commons haben, ohne dass uns das alles gefällt oder nicht.

    Die Hoffnung auf Commons ist doch nicht dadurch gegründet, dass alles per se damit gut wird, sondern dass eine entsprechende Organisationsform zu kollektiv besseren Lösungen führt, als eine auf Verknappung begründete.

  12. Natürlich ist es wichtig eine klare Definition zu bekommen, damit klar ist über was man redet, aber eine Definition kann nicht automatisch alle realen Praxisfragen lösen und künftige Diskurse/Diskussionen obsolet machen.
    Ob eine Bewegung oder die involvierten Gruppen/Personen nun einen Commons-Golfclub oder ein p2p Atomkraftwerk erstellen/nutzen werden und inwieweit dies sinnvoll ist kann letztlich nicht endgültig auf einer notwendigerweise abstrakteren Definitionsebene gelöst werden.

    Zum Thema normativ, ich halte auch nichts von Setzungen, verstehe aber das Bedürfnis den Begriff Commons nicht komplett verwässern zu wollen und ihn zu einer vielleicht vollkommen neutralen aber weitgehend inhaltslosen Hülle werden zu lassen.

    Commons ohne Bezugnahme auf bspw. Verallgemeinerbarkeit (sei es auf eine Gruppe, oder bei nicht endlichen Ressourcen ‚alle‘) ist schwer denkbar.
    Streng genommen wäre dies auch normativ….

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