Weltsozialforum: Manifest zur Wiedergewinnung der Gemeingüter

Ich hatte kurz nach dem Weltsozialforum in Belém bereits von der Initiative berichtet. Und werde auch weiterhin ab und an zum Stand der Dinge bloggen. Demnächst geht das Manifest in fünf Sprachen online, dann beginnt die Werbung von  Erstunterzeichnern…

Hier die deutsche Fassung:

Manifest zur Wiedergewinnung der Gemeingüter

Die Privatisierung und warenförmige Zurichtung der Dinge, die das Leben der Menschen und den Erhalt des Planeten ermöglichen, ist machtvoller denn je. Nach der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und der menschlichen Arbeit, hat sich dieser Prozess auf das Wissen, die Kulturen, Gesundheit, Bildung und Kommunikation, auf das genetische Erbe, das Leben und das, was aus ihm hervor geht ausgeweitet. Das Wohl aller und die Bewahrung der Erde wurden dem kurzfristigen finanziellen Gewinn weniger geopfert.

Die Folgen dieses Prozesses sind schwerwiegend: Jeder kennt und sieht sie: Leid und Tod derer, die keinen Zugang zu patentierten Medikamenten haben und die eine gewinnorientierte Forschung vernachlässigt hat, Zerstörung der Umwelt und der Biodiversität, Klimaerwärmung, Nahrungsmittelabhängigkeit der Menschen in armen Ländern, das Dahinschmelzen kultureller Diversität, weniger Zugang zu Wissen und Bildung im Zuge der Durchsetzung Geistiger Eigentumsrechte, und die verheerende Wirkung einer konsumorientierten Kultur.

Das Weltsozialforum 2009 in Belém do Pará, Brasilien, findet zu einem besonderen Zeitpunkt statt. Die kapitalistische Globalisierung, die von den – bar jeglicher öffentlicher Kontrolle agierenden – Finanzmärkten beherrscht wird, ist im Begriff auf spektakuläre Weise zu scheitern. Zugleich entsteht auf der ganzen Welt ein neues Bewusstsein darüber, dass bestimmte Dinge – und die Natur selbst – von allen Menschen gemeinsam zu nutzen sind. Sie können unter keinen Umständen privatisiert oder der Vermarktung unterworfen werden.

Diese Bewußtwerdung stützt sich auf die Vision einer Gesellschaft, die den Respekt der Menschenrechte, die demokratische Teilhabe und die Kooperation als zentrale Werte entfaltet. Alternative Ansätze entwickeln sich in vielen Bereichen: zur Verteidigung des Wassers und der Flüsse, des Landes, des Saatguts, der Biodiversität, des Wissens, der Wissenschaft und des traditionellen Wissens, der Wälder, der Meere, des Windes, der Währung, der Kommunikation und Vernetzung, der Kultur, der Musik und anderer Künste, der Open Source Technologien und der Freien Software, der öffentlichen Dienstleistungen Bildung, Gesundheit und Abwasserreinigung. Die Unterzeichner dieses auf dem Weltsozialforum 2009 vorgestellten Manifests rufen alle Bürger der Welt und ihre Organisationen dazu auf, sich für die Rückeroberung oder Erlangung der gesellschaftlichen Verfügung über die gegenwärtigen und künftigen Gemeingüter der Menschheit und der Erde zu engagieren, damit im Umgang mit ihnen all jene Menschen und Gemeinschaften -bis hin zur Weltgemeinschaft- mitwirken und zusammenarbeiten können, die davon direkt betroffen sind. Dies muss in einer Perspektive der Nachhaltigkeit geschehen.

Die Unterzeichner dieses auf dem Weltsozialforum 2009 vorgestellten Manifests rufen alle Bürger der Welt und ihre Organisationen dazu auf, den Begriff der Gemeingüter zu vertiefen, ihre Zugänge zu den Gemeingütern der Menschheit und des Planeten und ihre Erfahrungen für deren Entprivatisierung und Herausnahme aus der marktwirtschaftlichen Verwertung miteinander auszutauschen sowie die Kämpfe ihrer Organisationen miteinander zu verbinden, um gegenseitig Kampagnen und Initiativen zu stärken.

Die Unterzeichner dieses Aufrufs schlagen vor, folgende Plattformen zur Mitarbeit und Diskussion zu nutzen. http://benscomuns.org http://bienscommuns.org http://bienescomunes.org http://commons-campaign.org http://Gemeingueter.org

foto, licencia CC, on flickr by Luis Carlos Díaz

8 Gedanken zu „Weltsozialforum: Manifest zur Wiedergewinnung der Gemeingüter

  1. Pingback: Manifest for the recovery of common goods of humanity — keimform.de

  2. Bug: commonscampaign.org muss commons-campaign.org heißen.

    Alle Domains zeigen auf das gleiche (noch sehr provisorische) Wiki, ich nehme an, das soll später noch sprachspezifisch aufgeteilt werden. bienescomunes.org ist aber eine eigene Präsenz – wie verhält die sich dazu?

    Was machen wir mit gemeingut.wikidot.com/?

  3. Dank für den Bugfix!
    Ja, das Wiki wird -mehrsprachig- gefüllt.
    bienescomunes.org ist die Seite einer argentinischen NGO, die damit gar nichts zu tun hat. Aber der Hinweis ist natürlich gut… werde ich gleich mal weitergeben.

    Und die letzte Frage: Weiterarbeiten… sobald wer dazu kommt! Ich produziere ja gerade Commonsdefinitionen in einem anderen „Sprachmodus“, das werden wir auch brauchen. Aber das Wiki soll ja eine umfassende interdisziplinäre Definition liefern, möglichst mit Literaturverweisen und so weiter. Wikipediamäßig, um später evt. was rüber in die Wikipedia zu nehmen. Doch da ist noch viel Arbeit…

  4. Pingback: Manifest zur Wiedergewinnung der Gemeingüter — keimform.de

  5. Pingback: “Wissensallmende Report 2009 - Wem gehört die Welt” | Asynchron

  6. Hola,
    ich arbeite mich gerade erst in das Thema Commons als spezifisches ein: Das Gemeinsame kenn ich als gesellschaftliches Subjekt manchmal schon zu gut. Hierbei interessiert mich besonders die Frage ob Bildung ein Gemeingut ist? Dies zumal deshalb, weil ich das Gefühl nicht loswerden, dass dieser Begriff in der aktuellen Debatte simplifiziert verwandt wird, indem er auf den Inhaltsaspekt reduziert wird. Bildung, zumal als emanzipatorische ist aber schon noch mehr.

    Meine eigentliche Frage bezieht sich aber auf folgende Formulierung: „Aber das Wiki soll ja eine umfassende interdisziplinäre Definition liefern, …“. Im Satz zuvor geht es noch um Commonsdefinitionen, nun um „eine umfassende“. Wozu? Ginge es um eine lexikalisch orientierte Darstellung dessen was gemeine Güter/Allmenden… in der Geschichte waren und welche spezifischen Formen jeweils annahmen (die Genossenschaft in Bochum und die Nutzung der Gemeinschaftswiese in Nepal sind nicht gleiche Formen), welche Entwicklungen in deren Genese enthalten sind und warum und in welcher Vielfalt diese sich heute darstellen, dann fände inter-,post- und transdisziplinäre Definitionen schöner als nur die eine.
    Also: Was habe ich nun wieder falsch verstanden 🙂

    • @ san maleficus. Sorry für die verspätete Antwort. Ja, Bildungsthema gerät hier leider unter die Reder … aber es gibt zunehmend Leute, die darüber nachdenken. So wird sich etwa der BUKO diesem Thema widmen.
      Zur „umfassenden“ Definition: Gemeint war wohl eher der Versuch, das Konzept zu beschreiben („Definition“ scheint mir ein großes Wort), nicht die einzelnen Realisierungsformen. Das könnte nur über ein mapping geschehen. Auch in diese Richtung gibt es erste Unternehmungen, wie ich höre.

      Aber was wir schon brauchen, ist eine konzeptionelle Klarheit des Begriffs (so wir ihn bezogen auf die unterschiedlichen Realisierungsformen verwenden“) und darum geht es.

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