Derzeit freue ich mich über die Rezensionsvielfalt zu „Wem gehört die Welt„. Die letzten drei Beiträge möchte ich hier kurz vorstellen.
In der schweizer WOZ vom 10.12. titelt Marcel Hänggi seinen Beitrag: „Plädoyer für ein neues Gleichgewicht„. Hänggi blickt vor allem aus der Ecke der natürlichen Gemeingutsysteme auf das Buch. Er hat einen aktuellen Konflikt parat, auf den ich noch gar nicht aufmerksam geworden war….
„… vor wenigen Wochen demonstrierten in Madrid Schafhirten, weil ihnen die jahrhundertelang genutzten Routen für die Fernwanderungen mit ihren Tieren abhanden kommen“.
Es gibt noch 300 000 Schäfer in Spanien und 10.000 Familien, die den Routen der Transhumance folgen. Um die geht es hier. (via)
Aus der Rezension:
„Gemeingüter, betonen mehrere AutorInnen, können eine antihegemoniale, emanzipatorische Alternative sein zu Staats- und Privateigentum. «Es steht zu erwarten, dass im Zuge dieser Entwicklung [neuer Formen von Gemeingütern] neue soziale Formen aufkommen werden, die dazu beitragen, das System auf einem höheren Niveau gesellschaftlicher Organsation in ein neues Gleichgewicht zu bringen», schreibt etwa der Soziologe José Esteban Castro.“ (Herv. von mir)
Schön, dass der nicht leicht verdauliche Beitrag von Castro besondere Aufmerksamkeit erfahren hat. Allerdings kommt Hänggi dann zu einem erstaunlichen Schluß. Nämlich:
„Es erscheint nach Lektüre des Buchs nicht unbedingt fruchtbar, die beiden Arten von Gemeingütern über einen Leisten zu schlagen.“
Dem kann ich nur mit einem Zitat begegnen. In Helfrich/Haas „Statt eines Nachworts: Gemeingüter – Eine große Erzählung“ (das genausogut am Anfang des Bandes hätte stehen können) schreiben wir:
„Gemeingütermanagement ist notwendig vielfältig – so wie die verschiedenen Ressourcensysteme in ihren unterschiedlichen gemeinschaftlichen Bezügen und Rechtesystemen. …
Regelungen zum Umgang mit Gemeinressourcen sind abhängig von zahlreichen Variablen – insbesondere bezüglich der Qualität der Ressource und der kulturellen, sozialen sowie ökonomischen Verankerung der Bezugsgemeinschaft. Gemeingütertheorie liefert zwar Bausteine erfolgreichen kollektiven Handelns, nicht aber universell passfähige politische Rezepte.“ (Herv. von mir)
Die Stärke der Gemeingüterdebatte liegt eben „in der Abwehr vereinfachender Rezepte für politisches Handeln.“ An anderer Stelle im selben Artikel heißt es, ein zentraler Impuls der Gemeingüterdebatte sei „stets vom Charakter der umkämpften Ressource auszugehen.“ Weil es ein großer Unterschied ist, ob ich die Zugangs- und Nutzungsrechte an Wasser oder an Softwarecode festlege. Keiner der Beiträge bewegt sich jenseits dieser differenzierten Darstellung. Von „über einen Leisten schlagen“ kann daher kaum die Rede sein.
Ostroms Klassiker, zur Verfassung der Allmende, den der WOZ-Autor abschließend empfiehlt, gehört selbstredend zum must-read. Aber der aktuellen politischen Dynamik der wiederentfachten Debatte um Gemeingüter – gerade auch kulturelle und digitale – wird man bei der Lektüre desselben kaum auf die Spur kommen.
Richtig Lust auf’s Lesen macht die im INKOTA-Brief vom Dezember 2009 veröffentlichte Rezension von Hans-Joachim Döring. Hier der link.
„Fangen wir einfach an.“, beginnt Döring. „Fragen wir, wem die diesjährig besonders schönen Äpfel überall an den Straßenalleen gehören? Denen, die sie auflesen und nutzen? Oder jenen, die sie liegen und vergammeln lassen, obwohl es „Gemeindebäume“ ihrer Kommune sind? Mögliche Antworten wären auch: Sie gehören denen, die vor Generationen die Bäume gepflanzt haben bzw. denen, die sie heute pflegen. Was würde sich alles ändern, wären die Äpfel aus purem Gold? Wir sind beim Fallobst gelandet, wie Eva im Paradies oder Newton bei der Schwerkraft.“
Na, schon neugierig geworden? Döring schließt mit einer treffenden Einordnung des Anliegens des Buches und des öffentlichen Diskussionsstands zum Zeitpunkt der Publikation.
„Die Debatte tritt aus den Zirkeln und Salons und stellt sich dem Mainstream. Reiht Euch ein. Der Lesestoff liegt bereit. Freilich, die Lektüre ist nicht ganz einfach. Es ist eine junge Crossover-Debate im Open-Source-Verfahren.“
Übrigens: Den INKOTA-Brief kann man auch bestellen.
Und schließlich Prof. Dirk Löhr in der Ausgabe 162-163 der Zeitschrift für Sozialökonomie (leider nicht online). Ich freue mich sehr über die Aufmerksamkeit in dieser Fachzeitschrift. Löhr, ausgewiesener wirtschaftwissenschaftlicher Experte der Materie, hat natürlich sofort die unterschiedlichen begrifflichen Fassungen der verschiedenen Autoren bemerkt. Es stimmt, dass die Abgrenzung zwischen Gemeingütern und öffentlichen Gütern nicht immer kohärent erfolgt und verschiedene begriffliche Interpretationen durch das Buch mäandern. Löhr kritisiert zudem den zu kurz gekommenden Bezug auf freiwirtschaftliche Ansätze. Gerade in der Bodenfrage hätte sich das angeboten, merkt der Autor an. Schließlich sei dies die „ursprüngliche Problematik“, aus der sich zahlreiche Folgekonflikte ergeben. Das ist richtig. Umgekehrt macht Löhr deutlich, dass die Gemeingüterdiskussion der freiwirtschaftlichen Bewegung, die heute auf „das Geldwesen fixiert ist“ belebende Impulse verleihen kann. Auch das ist richtig.
Warum freiwirtschaftliche Ansätze so wenig explizite Aufmerksamkeit erfahren haben, hängt nun weniger mit dieser Fixierung als vielmehr mit der internationalistischen Ausrichtung des gesamten Bandes und der konkreten Entstehungsgeschichte des Buches zusammen.
Das sehr erfreuliche Fazit kann ich nicht unerwähnt lassen:
„Insgesamt ist die Lektüre des Buches … eine Bereicherung und Pflichtlektüre für all diejenigen, die Reformbedarf auch jenseits der Geldordnung anmahnen.“
Und das sind eine ganze Menge! (Zur Bodenfrage siehe auch: Boden ist unverkäuflich: Für ein gemeingüterbasiertes Bodenrecht.)
Mein Fazit zu alldem ist alles andere als neu. Ich trage es mit mir herum, seit ich das Manuskript abgegeben habe: „Wem gehört die Welt“ braucht einen Nachfolger. 2010 wird es nichts. Aber vielleicht 2011?
Gemeingütermanagement ist notwendig vielfältig – so wie die verschiedenen Ressourcensysteme in ihren unterschiedlichen gemeinschaftlichen Bezügen und Rechtesystemen. „Wir können mit der Allmende nicht puristisch sein. Es geht nie nur um eine Allmende und nie nur um eine community“, so Christine von Weizsäcker.1
Regelungen zum Umgang mit Gemeinressourcen sind abhängig von zahlreichen Variablen – insbesondere bezüglich der Qualität der Ressource und der kulturellen, sozialen sowie ökonomischen Verankerung der Bezugsgemeinschaft. Gemeingütertheorie liefert zwar Bausteine erfolgreichen kollektiven Handelns, nicht aber universell passfähige politische Rezepte. Vielmehr sind die diskutierten institutionellen Lösungen stets vielschichtig und komplex.
Wenn es stimmt, dass Diversität das wichtigste Arbeitsprinzip in Natur und Gesellschaft ist, das einzige Prinzip, das Mensch und Natur viele Möglichkeiten und Lösungen sichert, dann liegt die Stärke der Gemeingüterdebatte in der Abwehr vereinfachender Rezepte für politisches Handeln
1Gemeingüterschutz zwischen Diversität und globaler Verantwortung; Tagung der Freiburger Kantstiftung und des Instituts für Politische Bildung Baden-Württemberg e.V. 30.11.-1.12.2007. Protokoll der Arbeitsgruppensitzungen.
Ich habe die gleiche Frage vor einem Verwaltungsgericht gestellt. Wer sich dafür interessiert:
http://www.widerstand-ist-recht.de/widerstand/verwalt%20eigentum%20erde.html